Lösung im Streit um Bahnverkehr mit Italien

Lösung im Streit um Bahnverkehr mit Italien

Da www.nzz.ch

Aufgrund italienischen Auflagen wollten die SBB kurzerhand alle Züge nach Italien einstellen. Verkehrsministerin Simonetta Sommaruga hat sich bei ihrer Amtskollegin für eine rasche Lösung eingesetzt. Bereits am Abend verkünden die SBB eine neue Regelung.

Eine Medienmitteilung der SBB vom Dienstag sorgte für grosse Aufregung. SBB und Trenitalia stellen am Donnerstag alle grenzüberschreitenden Verbindungen zwischen der Schweiz und Italien auf unbestimmte Zeit ein. Sowohl der Tessiner Regierungspräsident Norman Gobbi als auch der Präsident der Region Lombardei Attilio Fontana kritisierten die Einschränkung auf der Schiene scharf. Sie stören sich vor allem daran, dass damit den italienischen Grenzgängern die Ein- und Ausreise in die und aus der Schweiz erschwert wird.
Inzwischen wurde eine Lösung gefunden, wie die SBB am Mittwochabend auf Anfrage der Nachrichtenagentur Keystone-SDA mitteilten. Eurocity-Züge verkehren weiterhin zwischen der Schweiz und Italien, allerdings in reduzierter Zahl. Im Regionalverkehr mit den Tilozügen wird das Reisen komplizierter. Grenzgänger, die zum Arbeiten ins Tessin reisen, müssen in Chiasso umsteigen. Darauf haben sich die beiden Länder und ihre Bahnbetriebe geeinigt.
Am Mittwoch hatte Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga mit der italienischen Transportministerin Paola De Micheli über die Situation im grenzüberschreitenden Bahnverkehr gesprochen. Beide Seiten seien an einer raschen Lösung interessiert, teilte Sommaruga nach dem Gespräch über Twitter mit.
Auslöser für die Unterbrechung der Bahn ist ein Dekret der italienischen Regierung. Dieses enthält neben Reiserestriktionen strenge Auflagen für die Transportunternehmen. So muss bei jedem Reisenden vor dem Grenzübertritt die Körpertemperatur durch das Bahnpersonal gemessen werden. Bei Fieber muss das Zugspersonal dem Passagier die Weiterfahrt verweigern. Ebenfalls müssen die Reisenden einen negativen Corona-Test vorweisen, der innert 48 Stunden vor der Einreise erfolgt ist, sowie ein Formular, in welchem der Zugpassagier den Reisezweck deklariert. Beide Papiere müssen die Bahnunternehmen an die italienischen Behörden weitergeben. Schliesslich müssen die SBB ihre Auslastung um 50 Prozent reduzieren.

SBB: «Kontrollen auf kurzen Strecken kaum möglich»

Die SBB sehen sich nicht in der Lage, diese Auflagen zu erfüllen. «Unser Personal ist nicht ausgebildet für Temperaturmessungen», sagt die Sprecherin Ottavia Masserini. «Auch können wir nicht jedes einzelne Formular der Zugpassagiere überprüfen und mit den italienischen Behörden abgleichen.» In Italien, wo der Zugang zu den Perrons meist kanalisierter ist als in der Schweiz, dürften solche Kontrollen einfacher zu handhaben sein. Wie die ausgehandelte Lösung aussieht, ist nicht im Detail bekannt.
Laut den SBB müsste das Personal die Kontrollen auf der Strecke vom Grenzübergang Chiasso bis zum ersten Bahnhof in Italien vollziehen und Passagiere, welche die Auflagen der italienischen Behörden nicht erfüllen, dort aus dem Zug weisen. «Das ist auf solchen kurzen Strecken kaum möglich», sagt Masserini. Sie betont, dass es sich bei der Einstellung der grenzüberschreitenden Verbindungen nicht um einen Alleingang der SBB handle. Man sei stets in Kontakt mit den italienischen Partnern gestanden. Dem Vernehmen nach wurde der Entscheid der SBB auch im Einvernehmen mit Trenitalia getroffen.

BLS-Strecke Brig–Domodossola nicht betroffen

Vorerst nicht betroffen von den hohen Auflagen der italienischen Regierung für den grenzüberschreitenden Verkehr bleibt die Strecke von Brig nach Domodossola. «Wir haben keine Signale von den piemontesischen Behörden erhalten, dass wir zusätzliche Auflagen erfüllen oder unser Angebot einschränken müssen», sagt Stefan Dauner, Sprecher des Bahnunternehmens BLS, welches die Regionallinie betreibt. Man stehe aber in täglichem Kontakt mit der zuständigen Agenzia della mobilità piemontese (AMP). Die Behörde erachte die Strecke von Brig nach Domodossola als wichtigen Service public für die italienischen Grenzgänger, die in der Schweiz einer Arbeit nachgingen.
Offensichtlich legen nicht alle Regionen das Dekret der italienischen Regierung gleich aus. Dem Vernehmen nach sind solche Dekrete, die teilweise in kurzer Zeit aufgesetzt werden, nicht immer bis ins letzte Detail präzis, was Spielraum für Interpretationen lässt.