Hoffnung auf mehr Solidarität bei Erdbeben

Hoffnung auf mehr Solidarität bei Erdbeben

Da NZZ.ch | Schutz des Wohneigentums

Für viele Schweizerinnen und Schweizer gilt die Devise «Lieber eine Versicherung zu viel als eine zu wenig». Deshalb ist es umso erstaunlicher, dass die meisten Hausbesitzer ungenügend auf die Naturkatastrophe mit dem höchsten Schadenspotenzial vorbereitet sind. Lediglich 8 bis 9 Prozent der in Privatbesitz befindlichen Gebäude sind hierzulande nämlich gegen Erdbeben versichert. Im Unterschied zu allen anderen Naturgefahren wird dieses Risiko in fast allen Kantonen nicht durch die Gebäudeversicherung abgedeckt. Für die privaten Versicherungsgesellschaften ist dieses Geschäft wenig lukrativ und deshalb kaum interessant.

Widerstand in den Kantonen

Seit fast zwei Jahrzehnten versuchen Politik und Versicherer deshalb eine obligatorische Erdbebenversicherung für die ganze Schweiz zu schaffen. Bisher scheiterten alle Versuche am Widerstand einzelner Kantone. Jetzt startet die Regierungskonferenz Militär, Zivilschutz und Feuerwehr (RK MZF) einen neuen Anlauf für ein Interkantonales Konkordat für eine obligatorische Erdbebenversicherung. Dieses Konkordat tritt in Kraft, wenn eine Anzahl Kantone beigetreten ist, die zusammen mindestens 85 Prozent der zu versichernden Gebäude und Sachwerte der Schweiz abdecken.

Dieses vorsichtige Vorgehen wird gewählt, weil es sich als illusorisch herausgestellt hat, alle Kantone ins Boot zu holen. So sprachen sich bei einer Umfrage der Konferenz der Kantonsregierungen letztes Jahr 16 Kantone grundsätzlich für eine obligatorische Erdbebenversicherung aus, 17 Kantone befürworteten eine Lösung mithilfe eines interkantonalen Konkordats. Appenzell Ausserrhoden, Thurgau und Zug wollten überhaupt keine Lösung. Je höher das Erdbebenrisiko in einem Kanton ist, umso enthusiastischer fällt die Zustimmung aus. Bis Ende 2017 sollen die Kantone nun eine verbindliche Stellungnahme zur 85-Prozent-Lösung abgeben. Definitiv entschieden ist also noch nichts.

Auch das eidgenössische Parlament treibt das Thema obligatorische Erdbebenversicherung seit längerem um. Zuletzt bemühte sich die Umweltkommission der kleinen Kammer um eine Lösung aufgrund eines Vorstosses des Walliser Ständerats Jean-René Fournier. Sie spielte den Ball damals an die Kantone zurück. Bei Ständerat Werner Luginbühl kommt der neue Vorschlag der RK MZF gut an: «Das ist ein Lichtblick. Zum ersten Mal besteht damit eine realistische Chance, dass wir doch noch zu einer vernünftigen Lösung kommen.» Für den BDP-Politiker ist klar, dass mit dem 85-Prozent-Modell der Druck auf die nicht willigen Kantone steigt, so dass am Schluss doch eine nationale Regelung resultiert.

Als Leiter Public Affairs der Mobiliar-Versicherung kennt der Berner Standesvertreter auch die Position der Versicherungsbranche. Aus deren Sicht sei es sinnvoll, dass auch die Naturgefahr mit der zwar geringsten Eintrittswahrscheinlichkeit, aber dem höchsten Schadenspotenzial Teil des weltweit einzigartigen Elementarversicherungssystems der Schweiz werde. «Es wäre allerdings wichtig, wenn nun die stärker durch Erdbeben gefährdeten Kantone aktiv bei den noch zurückhaltenden Werbung machen würden», erklärt Luginbühl.

20 Milliarden Franken werden abgedeckt

Eine Arbeitsgruppe bestehend aus Vertretern des Bundes, der Kantone und der Versicherungswirtschaft hat bereits verschiedene Eckwerte definiert. «Unabdingbare Voraussetzung für die Schaffung eines interkantonalen Konkordates ist, dass der Bund sich an der Finanzierung der Versicherungslösung beteiligt», erklärt Alexander Krethlow, der Generalsekretär der RK MZF. Damit dies möglich ist, müssen allerdings die verfassungsmässigen und gesetzlichen Grundlagen geschaffen werden. Dieser Prozess wird einige Jahre dauern.

Wie eine obligatorische Erdbebenversicherung konkret aussehen könnte, hat das Eidgenössische Finanzdepartement vor vier Jahren in einem Bericht dargestellt. Es soll eine Leistungskapazität von rund 20 Milliarden Franken zur Verfügung gestellt werden. Mit dieser Summe könnten die Gebäudeschäden voll ausfinanziert werden, wie sie ein alle 500 Jahre vorkommendes Erdbeben verursacht. Gemäss dem Vorschlag der Arbeitsgruppe unter der Leitung von Krethlow soll eine erste Tranche von 5 Prozent der Versicherungssumme von den Versicherten als Selbstbehalt getragen werden.

Prämie von rund 100 Franken

Anschliessend folgen die Beiträge der Assekuranz und des Bundes. Die Assekuranz (kantonale Gebäudeversicherer und Privatversicherungen) übernehmen die Abwicklung der Schäden und tragen eine Milliarde Franken alleine im Rahmen eines Eigenbehaltes. Die restlichen 19 Milliarden sollen je zur Hälfte der Bund und die Assekuranz tragen. Aus der Sicht von Luginbühl ist dieser Vorschlag sinnvoll. So wären die Gebäudeschäden abgedeckt, und die öffentliche Hand könnte sich auf den Wiederaufbau der Infrastruktur konzentrieren.

In seinem Bericht von 2013 hat das Finanzdepartement ausgerechnet, wie teuer die Jahresprämie die Hausbesitzer zu stehen käme. Bei einem Gebäude mit einer Versicherungssumme von 700 000 Franken würde die Jahresprämie bei 84.70 Franken liegen, wenn nur das Gebäude und keine Aufräumungskosten versichert werden. Bei der RK MZF rechnet man gemäss Krethlow mit einer Prämie von rund hundert Franken für ein Einfamilienhaus. Die gegenwärtig bezahlten Prämien für private Erdbebenversicherungen liegen deutlich höher.

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